Anna Jonas, geboren am 8. 6. 1944 in Essen, aus einer Arbeiterfamilie stammend (der Großvater war Gewerkschaftssekretär). In Werden aufgewachsen, Schulbesuch in Essen-Bredeney, dort 1963 Abitur. Studium der Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft in Westberlin, Abbruch nach drei Semestern. Zwei Jahre Gelegenheitsarbeiten. 1967–1971 Studium der Politologie in Westberlin, Diplom. Promotionsstipendium für eine Arbeit über die spanische Wirtschaft. 1973 Übersiedlung nach Spanien. 1977 erste Gedichte und Beginn der Arbeit als Übersetzerin. 1978 Rückkehr nach Berlin. 1982–1985 Arbeit im Berliner Verband Deutscher Schriftsteller (VS), 1987–1988 Bundesvorsitzende des VS, 1988 Austritt aus dem VS. Anna Jonas lebte als freie Schriftstellerin, Journalistin und Leiterin einer Gewerkschafts-Tagungsstätte in Berlin, sie starb dort am 13. 3. 2013.
* 8. Juni 1944
† 13. März 2013
von Sibylle Cramer
Essay
„Nichts mehr an seinem Platz“: Der Titel des Gedichtbandes, mit dem Anna Jonas 1981 debütierte, war von auffälliger Unscheinbarkeit. Er enthielt, verstümmelt zwar und reichlich lakonisch, ein komplettes literarisches Programm. Lyrik, so könnte die Übersetzung in poetische Theorie lauten, ist ein Eingriff in die Wirklichkeit. Die Literatur bildet Wirklichkeit nicht ab, sie arbeitet sie um. Die Dinge werden, um sie neu, anders und klarer sehen zu können, solange ver-rückt, bis nichts mehr an seinem Platz ist. Die Wirklichkeit gerät bei diesem poetischen Stühlerücken ...